Ein Gespräch mit Wilhelm Wahler über Selbstbestimmung, Beruf und ein gutes Leben mit Persönlicher Assistenz
Wilhelm Wahler ist wissenschaftlicher Mitarbeiter einer großen Versicherung. Er forscht an innovativen Methoden, um Berufskrankheiten wie Lärmschwerhörigkeit zu vermeiden. „Lärm ist ein schleichender Gefährder“, sagt er. „Die Schwerhörigkeit kommt oft schleichend – man merkt es daran, dass man den Fernseher lauter dreht oder sich immer öfter ausgeschlossen fühlt.“
Dass er heute in einem anspruchsvollen Beruf tätig sein kann, Vorträge hält und Messungen in Betrieben durchführt, verdankt er nicht zuletzt der Persönlichen Assistenz. Denn Wahler kann seine Hände nur eingeschränkt einsetzen und sitzt im Rollstuhl. Allein wäre vieles nicht möglich. „Aber mit Persönlicher Assistenz bin ich mittendrin – im Leben und im Beruf.“
Wie alles begann: Ein Artikel verändert den Alltag
Den Anstoß, sich mit Persönlicher Assistenz auseinanderzusetzen, gab ein Zeitungsartikel im Standard. Seine Frau stieß auf den Bericht und sagte: „Das wäre doch etwas für dich.“ Herr Wahler wandte sich an die WAG Assistenzgenossenschaft und wagte den Schritt. Heute unterstützen ihn abwechselnd zwei Persönliche Assistent:innen in der Arbeit und bald auch im Alltag.
Ein Tag mit Persönlicher Assistenz
Der Arbeitstag beginnt für den Rollstuhlfahrer oft früh. Die Persönliche Assistenz begleitet ihn zur Arbeit. Dort stehen Besprechungen an, neue Messsysteme werden geplant und Präsentationen vorbereitet. Wilhelm Wahler ist mit einem mechanischen Rollstuhl unterwegs. Das Firmengebäude ist jedoch nicht vollständig barrierefrei. „Die Türen sind schwer, die Sicherheitsschleusen eng – ohne Assistenz müsste ich oft kapitulieren.“
Selbst vermeintlich kleine Dinge – wie ein Korb Äpfel im Eingangsbereich der für alle bereitliegt, aber so platziert ist, dass er vom Rollstuhl aus unerreichbar ist oder ein Besprechungsraum, der 5 Stockwerke mit schweren Schwingtüren getrennt von der Rollstuhltoilette entfernt liegt – zeigen, wie wichtig Assistenz ist, um selbstbestimmt handeln zu können. „Ich will einfach genauso am Arbeitsleben teilnehmen wie alle anderen“, sagt der Wissenschaftler. „Und dafür brauche ich manchmal jemanden, der mir etwas aus dem Rucksack holt oder die Türen für mich öffnet.“
Forschung braucht Teamarbeit – auch mit Assistenz
Wenn der Versicherungsmitarbeiter Außendienste durchführt, etwa bei Lärmmessungen in Betrieben, ist viel Planung nötig. Vorab wird geprüft, ob der Ort barrierefrei ist. Vor Ort wird gemeinsam mit der Persönlichen Assistenz etwa ein Messstativ aufgebaut. Die Persönlichen Assistent:innen lösen den Schallimpuls aus. Sie und Wahler tragen Schutzausrüstung und müssen sämtliche Sicherheitsvorschriften beachten. Auch das ist Teil der Arbeit.
Die Arbeit des studierten Maschinenbauers umfasst Lärmmessungen mit speziellen Geräten, Beratung für Betriebe und Forschung zu Gehörschutz. „Wir schauen, ob Maschinen leiser gemacht werden können oder ob eine Lärmschutzwand helfen würde. Das ist wichtig – für die Praxis und für die Gesundheit.“
Was macht eine gute Persönliche Assistenz aus?
Geduld, Aufmerksamkeit, Einfühlungsvermögen – das sind für Wilhelm Wahler die wichtigsten Eigenschaften. „Eine gute Assistenz hört zu, achtet auf Details und hat das richtige Maß an Eigeninitiative.“ Manchmal sei es schwierig, die richtigen Worte zu finden, um Bewegungen zu beschreiben – vor allem in technischen Situationen. „Ich muss erklären, was ich jahrelang automatisch gemacht habe. Und dafür braucht es gegenseitiges Verständnis.“
Auch Empathie ist wesentlich: „An manchen Tagen bin ich einfach nicht gut drauf – dann hilft es, wenn wir offen reden können. Persönliche Assistenz ist keine Pflege – es ist Zusammenarbeit. Fast wie eine Partnerschaft.“
Für alle, die noch unsicher sind
„Ich habe lange überlegt, ob ich Persönliche Assistenz wirklich will“, sagt Wahler offen. „Es fühlt sich zuerst an wie ein Fremdkörper in der Familie. Doch wir konnten uns darauf einlassen.“ Inzwischen hat sich vieles verändert – zum Positiven. Er kann länger arbeiten, hat weniger Schmerzen und trifft viele interessante Menschen.
Sein Rat an Menschen mit Behinderungen, die noch zögern:
„Probieren Sie es aus. Reden Sie mit Ihrer Familie. Und wenn es passt: Trauen Sie sich! Ich kann heute das tun, wofür ich da bin. Das ist ein gutes Gefühl.“
Warum Persönliche Assistenz für Wilhelm Wahler so wichtig ist
Persönliche Assistenz ist für ihn keine Hilfeleistung im klassischen Sinn, sondern eine Voraussetzung für Selbstbestimmung. Sie ermöglicht berufliche Teilhabe, gesellschaftliche Mitwirkung und ein Leben nach eigenen Vorstellungen. Dabei geht es nicht nur um Unterstützung – sondern um Zusammenarbeit auf Augenhöhe.
„Persönliche Assistenz tut einfach gut“, sagt Wahler zum Abschluss. „Und das sollte viel mehr Menschen zugänglich sein.“