WAG Nachrichten

Frauen mit Behinderung brauchen Selbstbestimmung durch das Recht auf Persönliche Assistenz!

Drei Frauen sitzen nebeneinander an Tischen. Vor ihnen Namensschilder. Zwei sind zu lesen: Jasna Puskaric und Mag. Isabell Naronnig

© Behindertenrat / Lukas Ilgner

Auszüge aus dem Statement von Jasna Puskaric (Pressekonferenz 4. März 2020)

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Organisieren kann / muss SIE

Behinderte Menschen brauchen oft Hilfe bei alltäglichen Dingen. Das erzeugt Abhängigkeit und erfordert einen enormen organisatorischen Aufwand.  Organisieren? Ja! Das können Frauen gut!

In der Früh den berufstätigen Partner bitten 1 Stunde früher aufzustehen damit er beim Anziehen helfen kann. Dann von ihm zu den eigenen Eltern bringen lassen, denn dort kann man tagsüber mit Essen. versorgt werden. Die liebe Nachbarin bitten, erneut mit dem Hund hinauszugehen und gleichzeitig bitte die Post mitzunehmen. Am Abend den Partner erneut anrufen damit er auf dem Heimweg noch Brötchen fürs Abendessen einkauft und ihn vorm Einschlafen gehen noch einmal daran erinnern das am nächsten Tag in der Früh das Paket von der Post abzuholen ist und wieder mal die Wäsche gewaschen gehört. Also heißt es am nächsten Morgen doch lieber 2 Stunden früher aufstehen.

„Das geht sich jetzt aber nicht mehr aus“ oder „brauchst du das jetzt schon wieder?“ ist in einer solchen Situation das geringste Übel, das Frau widerfahren kann.

Bedürfnisse hat SIE

 Reaktion: Die eigenen Bedürfnisse zurückstecken.

Ich kenne viele Frauen und Männer mit Behinderungen, die ihre Gesundheit aufs Spiel setzen indem sie einfach weniger trinken, nur zweimal am Tag auf die Toilette gehen oder tatsächlich im Rollstuhl schlafen.

Warum? Weil es in Österreich immer noch an bedarfsgerechter Persönlicher Assistenz mangelt!

Als geschäftsführende Vorständin der WAG Assistenzgenossenschaft sehe ich es als meine Aufgabe diese Lebensrealitäten behinderter Frauen aufzuzeigen.

Persönliche Assistenz braucht Sie!

Eine junge Mutter im Rollstuhl benötigt unter anderem die Unterstützung ihren Säugling zu wickeln. Eine Schülerin im Elektrorollstuhl, braucht die Hilfe ihrer persönlichen Assistentin beim Mitschreiben während des Unterrichts oder auf der Toilette in der Schulpause.

Persönliche Assistenz bekommt SIE hier nicht 

Wohnt die junge Mutter allerdings in einem bestimmten Bundesland, bekommt sie die persönliche Assistenz dann nicht bewilligt, wenn sie zu wenig behindert ist. Wenn sie also eine zu geringe Pflegegeldstufe hat.

Ach ja, und die Schülerin bekommt ihre persönliche Assistenz auch nur dann finanziert, wenn sie in einer Bundesschule die Schulbank drückt. NMS-Schülerinnen leider ausgenommen!

Das alles wirkt irgendwie unglaublich skurril und unfassbar, ist aber Realität.

Wir haben 11 unterschiedliche Regelungen für Persönliche Assistenz in Österreich:

Eine für Arbeit und Ausbildung, eine für die Schule und neun verschiedene auf Länderebene.

Meiner Meinung nach sind das zehn Regelungen zu viel.

Wir brauchen in Österreich eine bedarfsgerechte, bundesweit einheitliche Regelung für persönliche Assistenz die Frauen und Männern das Recht einräumt mit Persönlicher Assistenz selbstbestimmt zu leben und zwar unabhängig von Alter, Lebensort, Lebenssituation, Art der Behinderung, Einkommen oder Vermögen.

Träume hat Sie

Wenn ich meine Grundbedürfnisse abgesichert habe, wenn ich jederzeit ein Glas Wasser trinken kann.  und jederzeit auf die Toilette gehen kann, erst dann kann ich anfangen mir Gedanken darüber zu machen welche Ausbildung, welches Studium oder welche Art von Arbeit mich interessieren könnte.

Erst dann kann ich anfangen zu träumen und zu überlegen in welcher Rolle sehe ich mich in Zukunft? Als Partnerin? Als Mutter? Oder doch eher als Karrierefrau? Warum auch nicht eine Mischung von allem?

Mit Persönlicher Assistenz bleibt Frauen mit Behinderungen oft erst Zeit für sich selbst. Mit Persönlicher Assistenz fühle ich mich nicht als Belastung sondern kann mich frei entfalten.

Ermutigung braucht Sie

Letztes Jahr saß ich hier und habe davon berichtet, dass unsere Kund:innen-Zahlen folgendes zeigen:

Männer nahmen ca. 1/3 öfter als Frauen Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz in Anspruch. Bei Schüler:innen ist es noch extremer: 3 mal so viele Burschen wie Mädchen nutzen Persönliche Assistenz für die Schule.

Obwohl wir annähernd gleich viele weibliche als auch männliche Kundinnen beraten.

Das zeigt, dass es Ermutigung für Frauen mit Behinderungen braucht, sich in die Schule ins Studium und ins Arbeitsleben zu trauen und dadurch Selbstbestimmung in allen Lebensbereichen zu fördern!

Der Zugang zu Persönlicher Assistenz in ganz Österreich ist der Schlüssel und die Basis für ein selbstbestimmtes Leben besonders für Frauen!

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